Es gibt nichts, was es nicht gibt: Das Sozialkaufhaus 'Brauchbar' in Würzburg gilt als Second-Hand-König der Stadt

Es gibt nichts, was es nicht gibt: Das Sozialkaufhaus "Brauchbar" in Würzburg gilt als Second-Hand-König der Stadt

Bild: Diakonie Bayern

Sozialkaufhäuser und Gebrauchtwarenhöfe

Die Madonna im Safe

Gebrauchtwarenhöfe bieten für immer mehr Menschen die in Armut geraten, die einzige Möglichkeit den Bedarf an Kleidung und Haushaltsgegenständen abzudecken.

Wenn es in Würzburg einen Second-Hand-König gibt, dann ist es wohl Hartfried Groksch, Geschäftsführer der ‚BRAUCHBAR gGmbH’, und ohne zu übertreiben kann man feststellen: Der Mann herrscht zusammen mit seinem Team über ein Imperium. 4000 Quadratmeter Verkaufs- und Lagerfläche verwaltet er, und damit bewegt er sich in Dimensionen eines größeren Supermarktes oder eines kleinen Warenhauses. Freilich, 4000 Quadratmeter nicht in einem Gebäude, sondern, und das mag nicht minder erstaunen, verteilt, gleich auf mehrere Filialen in Würzburg und Umgebung.

Im Augenblick sind es neun an der Zahl. Da gibt es die ‚Pfundgrube’, das ‚Bücherwürmchen’, den ‚Stoffwechsel’ und nicht zuletzt den ‚Wöllrieder Hof’, wo alles angefangen hat, damals, Mitte der achtziger Jahre mit einigen Mitarbeitenden, die damals noch ABM-Kräfte hießen. Und dann ist da noch die Zentrale in der Grombühlstraße, ‚BRAUCHBARs SOZIALKAUFHAUS’, eingeklemmt zwischen der Umgehungsstraße, den Bahngleisen und alten Garagen. Nicht leicht zu finden, aber wer in Würzburg in die Situation kommt, hier einkaufen zu müssen, findet den Weg.

Wachsender Raum für wertvolle Sachspenden

Heute, zwölf Jahre nach den Anfängen, hat die ‚BRAUCHBAR gGmbh’, gemeinsam getragen von Kirche und Diakonie in Würzburg, 50 festangestellte Mitarbeitende und eine schwankende Zahl an zusätzlichen Kräften, bis zu 250 im Jahr. Es sind dies Menschen, die die sogenannte Zuverdienstmöglichkeit in einer Arbeitsgelegenheit nutzen. Kurz: Hartz-IV-Empfänger auf 1-Euro-Job-Basis. Und wenn es schon um Zahlen geht: Einen knapp siebenstelligen Umsatz generiert die ‚BRAUCHBAR gGmbH’ mittlerweile, bei Zuwachsraten von zehn bis fünfzehn Prozent pro Jahr.

Ein Wachstum, das gewerbliche Unternehmen vor Neid erblassen ließe. Ein Wachstum aber, das Geschäftsführer Hartfried Groksch, Betriebsleiter Robert Mayer und ihr Team freilich nicht alleine zu verantworten haben. Schuld daran seien zwei Aspekte, so Robert Mayer: Die wirtschaftliche Entwicklung und die Spendenfreudigkeit der Würzburger. „Wir sind in den vergangenen Jahren aus einem einzigen Grund so stark gewachsen: Wir haben Platz für die Ware benötigt.“ Er zeigt auf den Parkplatz vor dem Fenster. „Die Wagen, die Sie hier sehen, gehören nicht unseren Kunden. Das sind Menschen, die uns Sachspenden bringen.“

Auswahl an hochwertigen Gebrauchtwaren

Und dann beginnt Robert Mayer die Faktoren aufzuzählen, die entscheidend sind, für ihn und für den Erfolg von ‚BRAUCHBARs SOZIALKAUFHAUS’ und seiner Filialen. So erfolgreich, dass die Würzburger mittlerweile von überregionalen Beschäftigungsbetrieben im Second-Hand-Bereich immer wieder um Beratung gebeten werden. Dabei klingt Mayer tatsächlich wie der Manager eines Kaufhauskonzerns, und spricht davon, dass er Platz benötigt, um die Ware auch ansprechend zu präsentieren, dass die Kunden gemäß ihrer Bedürfnisse gelenkt werden müssen und dass das Sortiment ausdifferenziert werden muss. „Wir bieten allein am Standort Grombühl zwei Geschäfte für unterschiedliche Zielgruppen an: ‚BRAUCHBARs SOZIALKAUFHAUS’ und das ‚Limit‘. Im Sozialkaufhaus findet man hochwertige Gebrauchtwaren.“

Demzufolge, so Mayer, kaufen hier auch viele Studenten ein, die sich in Würzburg ihre erste „Bude“ einrichten. „Im ‚Limit‘ hingegen gibt es gebrauchte Kleidung der untersten Preiskategorie, die wir in ‚BRAUCHBARs SOZIALKAUFHAUS’ nicht mehr anbieten können.“ Mit den Büchern, so Mayer, sei es ähnlich: „Wir haben ein Antiquariat, das von einer ehemaligen Bibliothekarin geführt wird, und das hochwertige, gelegentlich auch seltene Bücher bereit hält. Die Bücherei mit dem Standard-Bücherangebot ist ins Haupthaus integriert. Und dann gibt es noch das ‚Bücherwürmchen‘ am Standort Zellerau mit Kinderbüchern und einem Vorlese-Service für Kinder. Das ‚Bücherwürmchen’ ist ein mit der Stadt Würzburg gemeinsam initiiertes Projekt.“

Es gibt nichts, was es nicht gibt

Mayer führt den Besucher ins das Erdgeschoss der ‚BRAUCHBAR’-Zentrale. Direkt neben dem eigentlichen Sozialkaufhaus befindet sich das Tor für die Warenanlieferung und dahinter das Lager. „Aber das wird vielleicht bald umziehen. Momentan erhalten wir in zu vielen Filialen die Ware, und das macht die Verteilung schwierig. Ein Zentrallager könnte diese Probleme lösen – zentrale Anlieferung, zentrale Bewertung und Zuordnung zu den Filialen und dann die Auslieferung.“ Und im Lager dann: Die Ware. Die Formulierung, dass es in einem Geschäft nichts gibt, was es nicht gibt – hier trifft sie wohl zu. „Wer will, kann sich hier für wirklich wenig Geld einen kompletten Hausstand einrichten – vom Teppich bis zum Service für zwölf Personen.“ Dabei, so Mayer, wird jeder Artikel überprüft, gegebenenfalls repariert und bewertet. Gerade letzteres sei wichtig. „Denn wir werden oft gebeten, bei Todesfällen Haushalte aufzulösen.“

Das sprach sich herum, und dann kamen die Schnäppchenjäger, die Sammler, die Profis. Mittlerweile arbeitet ‚BRAUCHBARs SOZIALKAUFHAUS’ mit ehrenamtlichen Fachleuten zusammen, die im Zweifelsfall einen Artikel begutachten. „Dieses Bild“ – Mayer zeigt auf ein Gemälde im Goldrahmen – „hätten wir für einige Tausend Euro verkaufen können.“ Und dann öffnet er einen Safe: „Das gleiche gilt für diese Madonnen-Figur.“ Aus einer Haushaltsauflösung stammend, wurde sie bewertet und wartet nun auf einen Abnehmer. „Natürlich zu einem angemessenen Preis, der dem ‚BRAUCHBAR’ zugute kommt.“ Keine Versuchung für ihn? Mayer lacht. Gitarren seien vor ihm nicht sicher. Aber wie jeder andere Mitarbeitende auch zahlt er dann den festgelegten Preis abzüglich eines Rabattes für Mitarbeitende.

03.08.2021
Daniel Wagner / Diakonie Bayern

„Doch solche Geschichten sind die Ausnahmen“, sagt Mayer. Er führt den Besucher vorbei an Regalen mit Dutzenden Plüschbären und hunderten getöpferten Fröschen in das eigentliche Geschäft. „Wenn wir die Möglichkeit haben, kaufen wir mittlerweile auch Insolvenzmassen auf.“ Säuberlich sortiert, ausgepreist und präsentiert landet hier das, was die Würzburger gespendet haben. Kleidung, Geschirr, Möbel. Sortiert und präsentiert wie in einem Kaufhaus. Mit Platz für die Ware und Platz für die Kunden. Vor den Fensterfronten sind aus gebrauchten Möbeln kleine Wohnwelten aufgebaut, ein Mix aus Möbelhäusern der letzten drei Jahrzehnte. Jugendzimmer aus hellem Holz neben dunklem Gelsenkirchener Barock.

„Diese Sachen werden wir leider nicht mehr so gut los, seit dem die US Army abgezogen ist. Die amerikanischen Soldaten mochten diese Sachen, haben hier eingekauft und die Möbel in die Staaten verschiffen lassen.“ Die Kundenstruktur? „Ein bunt gemischtes Publikum“, sagt Mayer. „Angefangen von Menschen mit Migrationshintergrund, die besonders von Armut betroffen sind, bis hin zur sogenannten Mittelschicht.“ Aber die Wirtschaftskrise, nein, die würden sie hier noch nicht spüren. „Aber das wird noch kommen, da bin ich mir sicher.“

Hilfe für Menschen - Hilfe für die Umwelt

Und dann fährt Mayer in die ‚Pfundgrube’, ein altes Lagerhaus am Rande von Würzburg, „aber mit guter Bus-Anbindung“, wie Mayer betont. Und hier, im Keller, ist dann für viele Artikel Endstation: Ein Pfund Ware kostet 50 Cent, und es gibt Kleidung, Elektrogeräte, Möbel und Bücher. Es ist die Ware, die es in die anderen Filialen nicht mehr schafft. „Erst was hier nicht mehr geht, kommt wirklich auf den Müll“, sagt Mayer. Es ist die Wegwerfgesellschaft, der Überfluss, der die Regale der ‚BRAUCHBAR’-Läden füllt, und es ist der Anspruch, etwas gegen diese Mentalität zu tun, die Hartfried Groksch, Robert Mayer und ihr Team antreiben.

Zuviel wird weggeschmissen, was anderen Menschen noch nutzen können. „Und das in mehrerer Hinsicht“, sagt Mayer und prüft mit einem kurzen Blick die Präsentation der Schuhe in der ‚Pfundgrube’. „Wir schaffen Arbeitsplätze für Menschen, die auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt gegenwärtig keine Chance haben. Wir ermöglichen denjenigen, die auf Hilfe angewiesen sind, günstig einzukaufen.“ Und nicht zuletzt, betont er, helfe man der Umwelt.

An der Qualität des Angebotes keinen Zweifel

Mit der Einkaufsmöglichkeit für sogenannte „sozial Schwache“ ist es aber nicht getan, das weiß auch Mayer. Darum gehört zur ‚BRAUCHBAR’ mittlerweile auch ein Café und ‚BRAUCHBARs Beratungs-Center’ (BBC). Hier erhält man Unterstützung bei der Jobsuche und der Bewerbung, und hat die Möglichkeit der Internet-Nutzung. „Denn das ist letztlich unser Ziel: Wir möchten den Menschen, die bei uns arbeiten, wieder einen Weg in die Arbeitswelt ermöglichen.“

Zurück im Büro. Robert Mayer sitzt hinter seinem dunklen Schreibtisch, hinter ihm das Modell eines Passagierschiffes. Beides gebraucht, keine Frage. Dann beginnt er, über die Zukunft zu sprechen. Zwei weitere Filialen wird er in den kommenden Monaten eröffnen, und der Bedarf für die Angebote der ‚BRAUCHBAR’, fürchtet er, wird weiter wachsen. Darum nimmt er auch die Aussicht gelassen hin, dass in wenigen Wochen ein schwedisches Möbelhaus in Würzburg eine Filiale eröffnen wird. An der Qualität des ‚BRAUCHBAR’-Angebotes hat er keinen Zweifel. „Da können wir locker mithalten.“