Einsatz vor Ort: begleiten, sprechen, spazieren, waschen, pflegen - einfach da sein.

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Bild: Diakonie Bayern

Ambulante Pflege

Mit Schwester Christina unterwegs

Der größte Teil der zwei Millionen pflegebedürftigen Menschen werden nicht in einer Einrichtung gepflegt, sondern zuhause – betreut von Angehörigen, oft unterstützt von einem ambulanten Dienst.

Nach einem Schlaganfall ist Frau Wagner (Name geändert) bettlägerig geworden. Die rechte Körperhälfte kann sie kaum mehr bewegen. Auch sprechen kann sie seit dem Schlaganfall nicht mehr. Wenn Schwester Christina morgens die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnet und Frau Wagner aufweckt, begrüßt sie sie mit einem Lachen. Schwester Christina wäscht Frau Wagner, legt ihr eine neue Windel an und cremt sie ein. Nach den Abrechnungstabellen muss das eigentlich alles schnell gehen.

Doch Frau Wagner braucht ihre Zeit, wenn Schwester Christina sie wäscht, ihre Haare pflegt, sie ankleidet. Und diese Zeit nimmt sich Schwester Christina auch: „Ich finde es wichtig, dass alte Menschen die Zeit bekommen, die sie brauchen. Auch wenn die Zeit knapp bemessen ist, können wir sie uns noch nehmen.“ Jeder Handgriff sitzt und ist routiniert.

Diakoniestation

Knapp 250 Diakoniestationen gibt es im Freistaat. Hier arbeiten etwa 7.000 Menschen. Mittlerweile befinden sich viele Sozialstationen, wie sie auch genannt werden, in ökumenischer Trägerschaft, werden also von Diakonie und Caritas gemeinsam betrieben. Für die alltägliche Pflegepraxis ist das freilich nicht relevant: Die Mitarbeitenden helfen jedem, unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit.

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Bei Frau Wagner hilft eine Angehörige mit und erzählt von der Zeit, als Frau Wagner noch die gesamte Arbeit auf dem Hof bewältigt hat, auf dem sie heute noch lebt. An der Wand hängen Fotos aus dieser Zeit und Fotos von Kindern und Enkelkindern. „Es macht mir Spaß, bei meiner Arbeit mit den Angehörigen zusammenzuarbeiten. Mit der Zeit entwickelt sich da ein richtiger Kontakt.“ Schwester Christina ist auch für viele Angehörige, die sich um die übrige Pflege kümmern, eine wichtige Ansprechpartnerin. „Ich finde es schön, wenn ich sehe, wie die alten Menschen bei ihrer Familie bleiben können.“ Zum Abschied nimmt Schwester Christina noch einmal Frau Wagners Hand: „Adé meine Liebe, bis morgen.“

Und immer wieder: die Dokumentation

Bevor Schwester Christina weiterfährt, trägt sie alle Pflegeleistungen in die Pflegedokumentation ein, die bei jedem Patienten zu Hause verbleibt. So können Angehörige, Ärzte und Kolleginnen die geleistete Arbeit nachvollziehen. „Es ist wichtig, dass alles einsichtig ist, aber diese Dokumentation nimmt halt auch viel Zeit in Anspruch.“

Gerade im Pflegebereich hat die Bürokratie Einzug gehalten. Das kann auch die Pflegedienstleiterin bestätigen, die tagtäglich mit Abrechnungen und Verwaltungsgängen beschäftigt ist. Ambulante Pflege muss oft einen Spagat zwischen „Wirtschaftlichkeit und Nächstenliebe“ vollbringen.

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Bei den nächsten Patienten, die Schwester Christina zu betreuen hat, steht Wundversorgung an. Die bettlägerigen Patienten kommen teilweise mit Operationswunden oder wundgelegenen Stellen, mit einem sogenannten „Dekubitus“, aus dem Krankenhaus zurück. Professionelle Behandlung offener Wunden ist aufwändig, und Schwester Christina nimmt sie mit großer Sorgfalt vor. „Ich habe mich in diesem Bereich mehrmals fortgebildet“, erzählt sie. In der Abrechnungstabelle wird diese Leistung mit 4,63 Euro veranschlagt, egal ob sie zehn Minuten oder eine Stunde dauert. Sorgfalt und Kosten können aber nicht gegeneinander aufgewogen werden, wenn es um Heilung geht.

Nicht jede Leistung ist abrechenbar

Nicht nur die pflegerische Professionalität, sondern auch die guten Worte, die Schwester Christina für jede Patientin und jeden Patienten hat, machen gute Pflege aus. Doch die stehen auf keiner Kostentabelle und lassen sich nicht abrechnen. „Leider spielt der Faktor Zeit auch in der Pflege eine immer größere Rolle. Aber wenn diese Zeit nicht mehr da ist, dann wird Pflege unmenschlich.“

02.08.2021
Daniel Wagner